UNIQA Capital Markets Weekly Gesundheitsausgaben im demografischen Licht Die demografische Alterung führt zu einem langfristigen Anstieg der österreichischen Gesundheitskosten. Der isolierte Alterungseffekt erhöht die Gesundheitskosten (in % des BIP) bis 2060 um 3 %-Punkte auf 13,4 %. Sinken die Gesundheitsausgaben proportional zur steigenden Lebenserwartung fällt der Anstieg geringer aus (+2 %-Punkte). Unsicherheit bezüglich der Entwicklung der Nachfrage nach Gesundheitsgütern könnte die Ausgaben jedoch weiter erhöhen. Bislang werden 74 % der laufenden Gesundheitsausgaben aus öffentlicher Hand finanziert. 5 % entfallen auf private Krankenversicherer. 19 % werden out-of-pocket durch Selbstzahlungen der Haushalte beglichen. Bleiben die öffentlichen Budgetmittel für den Gesundheitssektor, relativ zu anderen Budgetbereichen, unverändert würde der Anteil des privaten Sektors von 26 % auf 41 % bis 2060 ansteigen. Das Bewusstsein für Gesundheitsvorsorge steigt in Österreich! 22,3 % nennen 2018 „Gesundheit und soziale Sicherheit“ als eines der zwei wichtigsten Themen im Land (Grafik 1 - siehe pdf). Der Prozentsatz hat sich seit 2005 mehr als verdoppelt, als nur 8,6 % das Thema als wichtig wahrnahmen. Nur der Bereich „Immigration“ (25,8 %) wird in der Umfrage der Europäischen Kommission (Eurobarometer) von mehr Personen als dringlich angesehen. In der OECD Studie zum Thema Gesundheit (Health at a Glance 2017) wird Österreich ein gemischtes Urteil attestiert. Einerseits, zeigt Österreich einen guten Zugang zu Gesundheitsleistungen. Andererseits, sind die Gesundheitsausgaben mit einem hohen Anteil für stationäre Gesundheitsversorgung relativ hoch. 2017 lagen die Gesundheitsausgaben in Österreich bei 10,3 % des BIP und somit im OECD-Schnitt (10.4 %). Der unangefochtene Spitzenreiter ist die USA mit Gesundheitsausgaben von 17,2 % des BIP (Grafik 2 - siehe pdf). Gesundheitsausgaben weisen eine ausgeprägte demografische Komponente auf. Anhand der Aufgliederung der Gesundheitsausgaben nach Alter und Geschlecht (Statistik Austria, 2014) lässt sich eine stetige Zunahme der Pro-Kopf Ausgaben für Gesundheit ab dem 40. Lebensjahr feststellen (Grafik 3 - siehe pdf). Im Jahr 2014 beliefen sich die Gesundheitsausgaben pro Kopf zwischen dem 35. und 39. Lebensjahr auf 2.068 EUR. In der Alterskohorte 55-59 sind die Pro-Kopf Gesundheitsausgaben bereits doppelt so hoch und verfünffachen sich bis zur Alterskohorte 75-79. Ab dem 90. Lebensjahr belaufen sich die jährlichen durchschnittlichen Pro-Kopf Gesundheitsausgaben auf 26.879 EUR. Darüber hinaus zeigen sich deutliche geschlechtsspezifische Unterschiede der Gesundheitsausgaben. In der Altersgruppe 25-39 liegen Pro-Kopf-Gesundheitsausgaben für Frauen aufgrund von Mutterschaftsleistungen erwartungsgemäß durchschnittlich um 40 % über jenen für Männer. Weiters steigen Pro-Kopf-Gesundheitsausgaben für Frauen mit zunehmendem Alter deutlich schneller als für Männer. In der Altersgruppe 90+ erreicht das geschlechtsspezifische Verhältnis der Pro-Kopf Gesundheitsausgaben, ähnlich zur Altersgruppe 25-39, einen Wert nahe 1,4. Eine Aufgliederung der laufenden Gesundheitsausgaben nach Funktionen zeigt, dass die Divergenz der Pro-Kopf-Gesundheitsausgaben ab dem 80. Lebensjahr von der kurativen und rehabilitativen Gesundheitsversorgung sowie der Langzeitpflege getrieben wird (Grafik 4 - siehe pdf). Laut Statistik Austria ist insbesondere „der hohe Anteil der Langzeitpflegeausgaben für Frauen […] entscheidend für die Geschlechterdifferenz des Ausgabenvolumens pro Kopf im hohen Alter.“ Ansteigende Pro-Kopf Gesundheitsausgaben im Alter sind wenig überraschend. Im Hinblick auf die langfristige Alterung der österreichischen Gesellschaft stellt sich jedoch die Frage in welchem Ausmaß der demografische Wandel die Gesundheitsausgaben beeinflusst. 2018 belief sich der Anteil der Generation 75+ an der österreichischen Gesamtbevölkerung auf 9,4 %. Bis 2030 wird dieser auf 10,9 % steigen und sich bis 2060 auf 16,5 % fast verdoppeln (Grafik 5). Werden Pro-Kopf Gesundheitsausgaben nach Alter und Geschlecht mit langfristigen Bevölkerungsschätzungen kombiniert, lässt sich abschätzen, welche Auswirkung die Alterung auf die österreichischen Gesundheitskosten haben wird. Szenario: Reine Alterung (RA) In unserem Basisszenario Reine Alterung wird der Effekt des demografischen Wandels isoliert und in Prozent zur Wirtschaftsleistung in 10-Jahresschritten bis 2060 dargestellt (Grafik 6 - siehe pdf).  Bis 2030 werden die Gesundheitsausgaben um 0,9 %-Punkte auf 11,3 % des BIP ansteigen und bis 2060 13,4 % des BIP erreichen was einem Anstieg um 3 %-Punkte entspricht. Die Alterung der österreichischen Gesellschaft geht mit einem Anstieg der Lebenserwartung einher. Bis 2060 wird die Lebenserwartung für Frauen um 6,3 Jahre auf 90,2 und für Männer um 7,4 Jahre auf 86,7 steigen (Basisjahr 2017, Quelle: Statistik Austria). Unser Basisszenario der Reinen Alterung unterstellt konstante reale alters- und geschlechtsspezifische Pro-Kopf-Gesundheitsausgaben. Aufgrund dessen führt der Anstieg der Lebenserwartung zu einer Zunahme an ausgabenintensiven Jahren und unterstellt, dass der Gewinn an Lebensjahren zu keinem Gewinn an gesunden Jahren führt. Szenario: Gesund Altern (GA) In welchem Ausmaß ein Anstieg der Lebenserwartung zu einer Zunahme an gesunden Lebensjahren und damit zu einer Abflachung der altersbezogenen Gesundheitsausgaben führt, kann nur annäherungsweise beantwortet werden. Auf Basis des Indikators für gesunde Lebensjahre (Eurostat) lässt sich jedoch beobachten, dass die höhere Lebenserwartung von Frauen nur mit einer marginal höheren Anzahl an gesunden Jahren assoziiert werden kann. Im Zeitraum 2010 bis 2015 betrug in Österreich die Anzahl an Lebensjahren in guter Gesundheit für Männer 59,1 Jahre bei einer Lebenserwartung von 78,5 Jahren. Für Frauen betrug die Anzahl an Lebensjahren in guter Gesundheit 59,9 Jahre bei einer Lebenserwartung von 83,7 Jahren. Mit Hilfe eines Panel-Regressionsmodells, welches 12 Jahre und 31 Länder umfasst sowie geschlechterspezifische Unterschiede berücksichtigt, prognostizieren wir die Entwicklung der gesunden Lebensjahre auf Basis der langfristigen Entwicklung der Lebenserwartung. Wie erwartet nehmen die gesunden Lebensjahre mit steigender Lebenserwartung zu, der proportionale Zugewinn an gesunden Lebensjahren nimmt jedoch mit steigender Lebenserwartung ab. Über den Prognosehorizont bis 2060 ergibt dies ein durchschnittliches Verhältnis der Veränderung an gesunden Lebensjahren zur Veränderung der Lebenserwartung von circa 1:2. Der Anstieg der Lebenserwartung der Männer von 7,8 Jahren bis 2060 ist assoziiert mit einer Zunahme an gesunden Lebensjahren von 3,8 Jahren. Frauen profitieren von einem Zugewinn an 2,7 gesunden Lebensjahren bei einem Anstieg der Lebenserwartung von 6,4 Jahren. Wird nun angenommen, dass der altersbedingte Anstieg der Pro-Kopf-Gesundheitsausgaben durch den Anstieg der prognostizierten gesunden Lebensjahre verzögert wird, führt dies zu einem geringeren Anstieg der Gesundheitsausgaben (% des BIP). In diesem Szenario werden beispielsweise einer 65-jährigen Frau, nach einem Anstieg der gesunden Lebensjahre um 5 Jahre, die Pro-Kopf Gesundheitsausgaben einer 60-jährigen Frau aus dem Basisszenario unterstellt. Die Gesundheitsausgaben würden in diesem Szenario bis 2060 um 2 %-Punkte auf 12,3 % des BIP steigen (Grafik 7 - siehe pdf). Szenario: Gesundheitsausgaben Plus (GP) Bislang wurde angenommen, dass sich die geschlechts- und altersspezifischen Pro-Kopf-Gesundheitsausgaben mit der gleichen Rate wie das BIP pro Kopf entwickeln. Die Einkommenselastizität der Nachfrage nach Gesundheitsgütern wurde daher bislang als konstant (gleich 1) angenommen. Obwohl auch hier in der Gesundheitsökonomie kein eindeutiger Konsens herrscht, identifizieren empirische Studien tendenziell eine Einkommenselastizität der Nachfrage nach Gesundheitsgütern größer als 1.  Gesundheitsausgaben nehmen demnach mit steigendem Pro-Kopf-Einkommen einen höheren Anteil der Ausgaben ein.  Um diesen Effekt zu berücksichtigen, folgen wir der Methodologie der Europäischen Kommission und unterstellen einen Wert von 1,1 ausgehend vom Basisjahr 2017, welcher sich bis 2060 linear auf 1 reduziert.  Eine Einkommenselastizität der Nachfrage nach Gesundheitsgütern von 1,1 wird vom IHS auch für Österreich angenommen.  Aufgrund der größeren Gesundheitsausgabendynamik zeigt dieses Szenario eine höhere Kostenentwicklung. Bis 2060 steigen die Gesundheitsausgaben um 3,8 %-Punkte auf 14,2 % des BIP (Grafik 8 - siehe pdf). Szenario: Referenzszenario (RS) Werden die Szenarien der zunehmenden gesunden Jahre (GA) und der konvergierenden Einkommenselastizität der Nachfrage nach Gesundheitsgütern (GP) zu einem Referenzszenario kombiniert, zeigt sich ein Anstieg der Gesundheitsausgaben um 2,7 %-Punkte auf 13,1 % des BIP (Grafik 9 - siehe pdf).  Ein Vergleich der Szenarien, Reine Alterung (RA), Gesund Altern (GA), Gesundheitsausgaben Plus (GP) und Referenzszenario (RZ), zeigt eine Spannbreite der Gesundheitsausgabensteigerung bis 2060 zwischen 2 und 3,8 %-Punkte des BIP, ausgehend von 10,4 % im Jahr 2017. Demnach werden die Gesundheitsausgaben relativ zur Wirtschaftsleistung in jedem Szenario zunehmen. Bleibt der Anteil der Finanzierung aus öffentlicher Hand im langfristigen Durchschnitt (1990-2017) konstant bei 75 % werden die Gesundheitsausgaben demnach einen zunehmend größeren Anteil im Bundeshaushalt einnehmen müssen.  Im Referenzszenario käme dies einem Anstieg von 2 %-Punkte des BIP bis 2060 gleich. Ist eine Budgetausweitung für den Gesundheitssektor jedoch langfristig nicht möglich, muss der private Sektor die zusätzlichen Kosten für die Gesundheitsversorgung stemmen.  Der Anteil des privaten Sektors würde demnach von 26 % im Jahr 2015 auf 41 % im Jahr 2060 steigen (Grafik 10 - siehe pdf). 2016 fielen knapp unter 5 % der laufenden Gesundheitsversorgung auf private Krankenversicherungen. 19 % der laufenden Gesundheitsausgaben wurden out-of-pocket durch Selbstzahlung der Haushalte beglichen (inkludiert Selbstbehalte im Rahmen der Sozialversicherungsträger). In Schweden werden 15 % direkt aus der Geldbörse der Betroffenen gezahlt, in Deutschland 12 % und in den Niederlanden sogar nur 11 %.   Authors Martin Ertl                                       Franz Zobl Chief Economist                             Economist UNIQA Capital Markets GmbH      UNIQA Capital Markets GmbH Disclaimer This publication is neither a marketing document nor a financial analysis. 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