UNIQA Capital Markets Weekly Wahlverhalten in Österreich. Erste empirische Hinweise nach der Wahl belegen: Immigration und Rechtspopulismus in Österreich. Erste empirische Hinweise nach der Wahl belegen: • Flüchtlingsbewegung trägt zu FPÖ-Wahlerfolg bei. • Sozioökonomische Faktoren wie Arbeitsmarkt und Ausbildung sind ebenso bedeutend. • Zusammenhang zwischen Immigration und FPÖ-Erfolg von Kärnten getrieben. Die Nationalratswahl 2017 ist geschlagen. Neben dem Erfolg der Liste Kurz sowie der herben Verluste der Grünen, steht der erneute Wahlerfolg der FPÖ im Mittelpunkt der Wahlanalysen. Die vorläufigen Wahlergebnisse des Bundesministeriums für Inneres, inklusive der Wahlkarten Teil 1, weisen die FPÖ mit einem Stimmenanteil von 26,0 % auf dem 3. Platz aus. Bei der Nationalratswahl 2013 kam die FPÖ auf 20,5 % der Stimmen [1].  Immigration war zweifelsohne das bestimmende Wahlkampfthema. Als traditionell zentrales Thema der FPÖ, fokussierte sich auch die ÖVP auf Fragen der Einwanderung und nationalen Sicherheit. Die Flüchtlingsdebatte dominierte die österreichische Innen- und Außenpolitik der Jahre 2015/16 und so ist es wenig überraschend, dass Umfragen ein steigendes Bewusstsein dieses Themas innerhalb der österreichischen Bevölkerung aufweisen (Europäischen Kommission, Eurobarometer). Seit Anfang 2015 wird Immigration als das bestimmende Thema im Land wahrgenommen, wichtiger als Arbeitslosigkeit und die allgemeine Wirtschaftslage (Grafik 1 - siehe PDF-Dokument). Österreich ist nicht das einzige Land, welches Immigration vor große politische Herausforderungen stellt. Gleichzeitig lässt sich in vielen Ländern ein Trend zum Rechtspopulismus nachweisen. Das Erreichen der Stichwahl zum österreichischen Bundespräsidenten von Norbert Hofer (FPÖ), eine ähnliche Entwicklung in Frankreich mit Marine le Pen (Front National), die zentrale Rolle von Nigel Farage (UKIP) im Brexit Referendum und letztlich das positive Abschneiden der AfD in der Wahl zum deutschen Bundestag sind deutliche Indizien dieser Entwicklung. Die Zugewinne der FPÖ von 5,5 %-Punkten in der nun geschlagenen Nationalratswahl, von vergleichbar hohem Niveau ausgehend, passen daher ins gesamteuropäische Bild. Der suggerierte Zusammenhang zwischen Immigration und rechtspopulistischem Wahlverhalten ist jedoch nicht so klar wie er auf den ersten Blick scheint. Die Hypothese der ‚Contact Theory‘ von Allport (1954) besagt, dass erhöhter Kontakt mit Immigranten zu gesteigerter Akzeptanz führt [2].  Am Beispiel der oberösterreichischen Landtagswahl 2015 zeigt Steinmayr (2016) Evidenz für diese Hypothese [3].  In Gemeinden, in welchen Flüchtlingsquartiere eingerichtet wurden, führte dies zu einem 4,4 %-Punkte geringeren Wahlergebnis der FPÖ. Aufgrund der Wahlgewinne von 15 %-Punkten, verglichen zur Landtagswahl 2009, konnte dies den Rechtsruck jedoch nicht umkehren, sondern lediglich abmildern. Entgegen dieser Ergebnisse, zeigen Halla et al. (2017) einen positiven Zusammenhang zwischen dem Anteil nicht-österreichischer Staatsbürger und den Wahlerfolgen der FPÖ auf Gemeindeebene im Zeitraum zwischen 1979 und 2013 [4].  Im Durchschnitt können 10 % der Zugewinne der FPÖ einem Immigrationseffekt zugeschrieben werden, welcher maßgeblich von der Präsenz von Immigranten mit geringer Ausbildung getrieben wird. Dies zeigt, dass erhöhter Wettbewerb in lokalen Arbeitsmärkten mit geringem Ausbildungsbedarf, zu rechtspopulistischen Wahlverhalten führt. Die vorläufigen Ergebnisse der Nationalratswahl, inkluive der Wahlkarten Teil 1, zeigen die deutlichsten Zugewinne der FPÖ im Südosten (Kärnten) und Nordosten (Niederösterreich) Österreichs (Grafik 2 - siehe PDF Dokument) [5].  Wird dieses Wahlmuster mit den Flüchtlingsbewegungen der letzten Jahre (2014-2016) verglichen lässt sich, entgegen unserer Erwartungshaltung, auf den ersten  Blick, kein deutliches Muster erkennen [6].  Dennoch zeigt der Südosten Österreichs etwas Unterstützung für die Hypothese, dass die FPÖ von den Flüchtlingsbewegungen profitiert haben könnte [7]. Immigration ist jedoch nicht der einzige Faktor, welcher das Wahlverhalten beeinflusst. Die Situation am lokalen Arbeitsmarkt, das durchschnittliche Ausbildungsniveau sowie die Altersstruktur sind wohl die vielversprechendsten alternativen Faktoren. Um genauere Einblicke in die Determinanten der FPÖ-Wählerveränderungen zu gewinnen wird ein ökonometrisches Modell konzipiert, in welchem all diese Wahlmotive simultan berücksichtigt werden können. Die Auswertung zeigt, dass in politischen Bezirken welche stärker von der Flüchtlingsbewegung betroffen waren die FPÖ größere Gewinne verbuchen konnte (Tabelle 1 - siehe PDF Dokument). Ein 1 %-Punkt höheres Wanderungssaldo mit den Ländern der jüngsten Flüchtlingsbewegung (Afghanistan, Irak und Syrien) ist mit einem 0.53 %-Punkte stärkeren Zugewinn der FPÖ assoziiert (Spezifikation 3 - siehe PDF Dokument). Interessanterweise, zeigen jedoch politische Bezirke, in welchen am Beginn der Beobachtungsperiode ein höherer Anteil nicht-österreichischer Staatsbürger wohnten, FPÖ Zugewinne geringeren Ausmaßes. Ebenso, dämpften ein höherer Anteil an Bewohnern mit Hochschulabschluss sowie ein größerer Anteil an Einwohnern im Alter zwischen 15 und 49 Jahren den FPÖ Erfolg. Die Arbeitslosenrate unter österreichischen Staatsbürgern ist jedoch positiv korreliert mit der Veränderung der FPÖ-Wahlanteile. Sozioökonomische Wahlmotive dürfen daher keinesfalls vernachlässigt werden. Sowohl die Ausbildungskomponente als auch die Arbeitsmarktkomponente erklären einen größeren Teil der Variation in der Veränderung der FPÖ Wahlergebnisse als die Flüchtlingsbewegung. Dennoch ist die Flüchtlingskomponente ein bedeutender Faktor.  Genauere Analysen zeigen, dass der positive Zusammenhang zwischen Flüchtlingen und FPÖ-Zugewinnen maßgeblich vom FPÖ Wahlerfolg in Kärnten getrieben wird. Vergleicht man diese Ergebnisse mit den jüngsten Wahlerfolgen der AfD, zeigt auch das österreichische Beispiel wie wichtig ein sensibler Umgang mit dem Themengebieten Immigration und Integration ist.    Authors    Martin Ertl  Franz Zobl   Chief Economist  Economist  UNIQA Capital Markets GmbH  UNIQA Capital Markets GmbH   Imprint Information required pursuant to the Austrian Media Act Publisher of this publication: UNIQA Insurance Group AG Untere Donaustraße 21, A-1029 Vienna, Austria Media owner of this publication: UNIQA Capital Markets GmbH Untere Donaustraße 21, A-1029 Vienna, Austria Management Board of UNIQA Capital Markets GmbH: Dr. Andreas Bertl, Mr. Franz Hagmann UNIQA Capital Markets GmbH is constituted as a limited liability company; the media owner is licenced as an investment firm and regulated by the Austrian Financial Market Authority (FMA-Finanzmarktaufsicht). Ownership structure of the media owner: UNIQA Insurance Group AG is 100% owner of UNIQA Capital Markets GmbH. 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It cannot replace a bespoke advisory service to an investor based on his / her individual circumstances such as risk appetite, knowledge and experience with financial instruments, investment targets and financial status. The present publication contains short-term market forecasts. Past performance is not a reliable indication for future performance. [1] Bundesministerium für Inneres (2013: http://wahl13.bmi.gv.at; 2017: https://wahl17.bmi.gv.at) [2] Allport, G., (1954), The Nature of Prejudice, Addison-Wesley, Reading, Mass. [3] Steinmayr, A., (2016), Exposure to Refugees and Voting for the Far-Right. (Unexpected) Results from Austria, IZA  Discussion Paper No. 9790, Institute for the Study of Labor. [4] Halla, M., Wagner, A., und Zweimüller, J., (2017), Immigration and Voting for the Far Right, Journal of the European Economic Association, 00(0):1-45. [5] Grafik 2 zeigt die Differenz der FPÖ Wähleranteilen zwischen den Nationalratswahlen 2013 und 2017 auf Ebene politischer Bezirke. (Quelle: BM.I) [6] Das geografische Muster des Wahlerfolgs der AfD bei der Bundestagswahl in Deutschland zeigte eine deutliche negative Korrelation mit dem Anteil nicht-deutscher Staatsbürger. [7] Die Flüchtlingsbewegung wird als Summe der Wanderungssalden mit Afghanistan, Irak und Syrien zwischen den Jahren 2014 und 2016 approximiert und als deren Anteil an der Bevölkerung dargestellt.